The woke Taylor can’t come to the phone right now… is she dead?
„Du hast mich aus meinem Grab befreit, hast mein Herz von dem Schicksal der Ophelia gerettet. […] Ich schwöre deinen Händen, deinem Team, deinen Vibes die ewige Treue.“ Mit diesem Liebesgelübde eröffnet Taylor Swift das am 3. Oktober erschienene „The Life of a Showgirl“ ( abgek. „TLOAS“). Und gibt so den Ton für ihr zwölftes Studioalbum an. In diesem porträtiert sie ihren Verlobten, Travis Kelce, immer wieder als den Retter, der „den Fluch“ auf ihr „gebrochen hat“ („Wood“). Was interessiert sie das „dumme Zeug“, das sie einst geredet hat („Eldest Daughter“)? Jetzt habe sie nur noch einen einzigen Wunsch: ihren Verlobten, „ein paar Kinder haben“ und von der Welt in Ruhe gelassen zu werden („Wi$h Li$t“). Ganz dem Ideal der konservativen Familienrolle entsprechend.
Immer wieder ordnet sie im Album ihre eigenen Errungenschaften ihrem erfüllten Liebesleben unter. Ein starker Kontrast zur Taylor Swift in früheren Beziehungen, die sich erst 2022 in „Lavender Haze“ über den „1950s shit“ beschwerte, den die Öffentlichkeit von ihr erwarte. Damals hatte sie es satt, nur als „Braut oder One-Night-Stand“ wahrgenommen zu werden. Hat Travis Kelce all diese Ansichten auf den Kopf gestellt? Ich bin selbst langjährige Swiftie. Ich schätze sie besonders für ihre poetischen und ausdrucksstarken Lyrics. Nach dem Durchhören des neuen Albums fühlte ich mich aber in meiner Befürchtung der letzten Monate bestätigt: „The Life of a Showgirl“ könnte der Sargnagel in meinem Fantum sein.
Hat Taylor Swift die politische Seite gewechselt?
Denn was die Sängerin mit ihrem zwölften Album liefert, ist nicht nur künstlerisch und lyrisch weit von den Erfolgen von „Folklore“ oder „Midnights“ entfernt. Was für mich und tausende Swifties online viel enttäuschender ist: Sie widerspricht mit den Messages des Albums einerseits sich selbst und ihren früheren Songtexten – und scheint andererseits mit ihren neuen Liedern unterbewusst der rechtskonservativen Agenda der US-amerikanischen MAGA-Bewegung in die Karten zu spielen. Und damit ausgerechnet der Person, gegen die sie sich einst öffentlich stark positioniert hat: Donald Trump.
Die Künstlerin hat sich besonders seit ihrer Dokumentation „Miss Americana“ (2020) öfter öffentlich politisch geäußert und sich klar als Unterstützerin der Demokratischen Partei der Vereinigten Staaten gezeigt. Sie rief sowohl für die Wahl von Joe Biden 2020 als auch für Kamala Harris 2024 auf. Doch schon vor dem Release von „The Life of a Showgirl“ wurde Swift zuletzt häufig für ihre scheinbare Nähe zu MAGA-Anhängern kritisiert. Für diese Kritiker scheint ihr zwölftes Album die Bestätigung zu sein, dass Swift die politische Seite gewechselt habe. Doch lassen sich diese Behauptungen halten?
Hello Showgirl! Bye Bye Feminismus?
Während Swifts vorangehende Alben immer wieder mit feministischen Aussagen gespickt waren (von „Fuck The Patriarchy“ in „All Too Well“ bis zu Songs wie „The Man“), findet sich dazu auf „The Life of a Showgirl“ wenig bis nichts. Einzig die Machtumkehr in „Father Figure“, in der Taylor zum Ende des Songs die Oberhand über ihr männliches Gegenüber gewinnt, lässt sich wohlwollend im Licht von Female Empowerment lesen. Das wäre auch absolut vertretbar. Nicht jedes Album braucht feministische Kampfsongs oder große politische Statements. Allerdings vermittelt die 35-Jährige mit den Songs von „TLOAS“ das Bild, nicht mehr viel von dem zu halten, was sie einst in Songs wie „You Need to Calm Down“ gepredigt hat. Während sie damals dazu aufrief, Frauen nicht miteinander zu vergleichen und gegeneinander aufzuhetzen („cause we all got crowns“ – z. Dt. „da wir alle Kronen tragen“), teilt sie dieses Mal gleich mehrfach an Kolleginnen, Ex-Partnerinnen ihres Verlobten und Frauen im Allgemeinen aus.
Bestes Beispiel: Track 7, „Actually Romantic“. Offenbar die Antwort auf Charli xcx‘ Song „sympathy is a knife“ aus dem Album „brat“ (2024). Ohne Swift namentlich zu nennen singt xcx darin über die Beziehung zu einer kommerziell erfolgreicheren Kollegin. Der Song ist weniger eine Beleidigung als eine Exploration des komplexen Verhältnisses der Künstlerin zu Ruhm und Konkurrenz. Sie bedauert darin das Bedürfnis, sich mit der anderen Frau zu vergleichen, obwohl sie „nicht mal so sein könnte wie sie, wenn ich es versuchen würde“. Charli xcx betonte nach dem Release, dass es sich bei „sympathy is a knife“ um „keinen Diss-Track“ handle: „Es geht […] darum, wie kompliziert es ist, ein Künstler zu sein oder ganz besonders eine weibliche Künstlerin, wo man gegen seine Kolleginnen ausgespielt wird und gleichzeitig die unrealistische Erwartungshaltung herrscht, dass man mit jedem zu jeder Zeit beste Freundinnen sein sollte.“
Themen, die Swift in der Vergangenheit ebenfalls bereits in Songs wie „Nothing New“ oder „You Need To Calm Down“ reflektiert bearbeitet hatte. In „Actually Romantic“ hingegen schießt sie zurück; bezeichnet ihr weibliches Gegenüber als „Spielzeug-Chihuahua, der aus meiner kleinen Tasche kläfft“. Doch Swift fühle sich durch die negativen Aussagen – die nur möglich seien, wenn das „Koks dich mutig macht“ – geschmeichelt. „Kein Mann hat mich je so geliebt wie du“, schließt sie den Song. Damit gleicht „Actually Romantic“ mehr Schlachthymnen der jüngeren Taylor Swift wie „Bad Blood“ als den reflektierteren Songs um Rivalität von Frauen aus ihrer späteren Feder.
Besonders überraschend daran war für Fans, dass der Song ziemlich klar nur auf Charli xcx hindeutet1, während viele eher mit einer musikalischen Reaktion auf Trumps öffentliche Beleidigungen2 gegen die Sängerin gerechnet haben. Noch irritierender ist, dass Swift im Rahmen der Bewerbung ihres Albums in vielen Interviews über ihre Bemühungen spricht, nur wirklich wichtigen Dingen eine öffentliche Antwort zu schenken. Im Gespräch mit Graham Norton erklärt sie beispielsweise: „Ich habe diese Regel, dass ich auf Rage baiting oder Menschen, die mich auf verschiedene Arten versuchen zu provozieren, nicht antworte.“ Ausnahmen würden nur Dinge darstellen, die sie „richtig ankotzen“. 3 Offenbar müssen für Swift Charli xcxs Aussagen also mehr Anlass für eine Antwort geboten haben als die Beleidigungen Trumps.
Unterschwelliger Rassismus in „Eldest Daughter“ und „Wi$h Li$t“?
„Actually Romantic“ ist nicht der einzige Song, in dem Taylor Swift etwas über andere Frauen zu sagen hat. Viele Hörer:innen vermuten in einigen Songs sogar direkte Seitenhiebe zu Travis Kelces Ex-Freundinnen. In „Opalite“ vergleicht sich die Musikerin etwa direkt mit der vorangegangen Beziehung des Profisportlers. Dabei behauptet sie: Anders als sie, habe es seine Ex-Partnerin nur auf Ruhm und Klicks abgesehen. Im Kontrast dazu färbe Swift nun seinen schwarzen Himmel opalitfarben.4 In „Eldest Daughter“ und „Wi$h Li$t“ führt sie weitere Beispiele an, die sie von anderen Frauen unterscheiden. Sie singt darüber „keine bad bitch, nicht savage“ zu sein und, anders als andere Frauen, kein „baby face und einen fetten Arsch“ zu wollen – sondern nur einen Mann und dessen Kinder.
Keine unproblematischen Zeilen. Denn Begriffe wie „bad bitch“ und „savage“ stammen aus der Schwarzen feministischen Empowerment-Kultur. Dort stehen sie für Selbstbestimmung, Stärke und die Zurückeroberung von abwertenden Zuschreibungen5 . Indem Swift sich davon klar distanziert, wirkt die Gegenüberstellung – besonders im Kontext ihrer Zeilen über Kelces Ex-Freundinnen – wie eine Reproduktion rassifizierter Weiblichkeitsbilder. Schwarze Ausdrucksformen von Macht und Sexualität werden ihrer Weißen Verlässlichkeit und Reinheit gegenüber gestellt („I’m not a bad bitch and this isn’t savage, but I am never gonna let you down„).
„Wi$h Li$t“ beinhaltet außerdem ein weitere ähnlich problematische Zeile. Der Track handelt von all den Dingen, die sich andere wünschen, während sie nur einen einzigen Wunsch hat: Travis Kelce, seine Kinder und dass in der gemeinsamen Nachbarschaft „alle aussehen wie er“ („got the whole block looking like you“). Was sich auf den ersten Blick wie eine harmlose Überspitzung liest – der Wunsch nach einer extrem großen Familie – erinnert bei genauerem Hinsehen an die lange Geschichte weißer Homogenitätsfantasien in den USA6. In einem Land, in dem rechte Politiker:innen aktuell wieder offen über „Geburtenraten“ und den „Erhalt der weißen Kultur“ sprechen, klingt die Zeile weniger nach Romantik als nach dem Echo einer Rassenideologie, die erschreckenderweise wieder Einzug in die Popkultur zu finden scheint.
Lust auf mehr rund um Taylor Swift? Hier geht es zum Artikel: „Schreibt sie bald keine autobiographischen Songs mehr?“
Konservative Familienidylle steht ganz oben auf Taylors „Wunschliste“
Dabei stärkt „Wi$h Li$t“ auch in seinen übrigen Lyrics die heteronormen, konservativen und patriarchalen Strukturen, auf die rechtsextreme Bewegungen wie Trumps „Make America Great Again“ oder hierzulande die Bemühungen der AfD aufbauen. Swift zählt darin als Wünsche Statussymbole, Awards, Freiheit, Ruhm, Designermode oder Verträge bei großen Sportvereinen auf. Ironischerweise Ziele, die sie und Kelce nicht nur bereits erreicht, sondern hart erarbeitet haben und sicherlich selbst einst auf ihrer „Wunschliste“ hatten. Der Ton des Liedes ist aber eher belächelnd: Zwar wünscht sich die Sängerin der Erfüllung dieser Wünsche für andere. Doch scheinen sie oberflächlich, nichtig und nahezu lachhaft gegenüber ihrem simplen Wunsch der Familiengründung mit ihrem Verlobten.
Sie stellt die heterosexuelle Ehe und das konservative Familienbild über die Wünsche nach Freiheit oder eigenständige Errungenschaften. Besonders ironisch: Swift macht sich mit dem Song über Paare lustig, die „drei Hunde wollen, die sie ihre Kinder nennen“. Eine Rhetorik, die ausgerechnet US-Vizepräsident J.D. Vance einst verwendete, um gegen Demokratinnen wie Kamala Harris zu schießen. Er degradierte deren politischen Fähigkeiten, indem er sie auf das sexistische Bild der „kinderlosen Katzenfrau“ reduzierte. Swift versah daraufhin ihren Wahlaufruf für Harris 2024 mit einem Foto von sich und Katze Benjamin. Und unterzeichnete ihn mit „Taylor Swift, kinderlose Katzenfrau“. Befremdlich und überraschend, dass die gleiche Frau nur ein Jahr später materielle und oberflächliche Wünsche mit dem Wunsch von Paaren nach Hunden gleichsetzt. Und sich zeitgleich mit ihrem Kinderwunsch darüber stellt.
Das Narrativ von „The Life of A Showgirl“ ist bei genauerem Hinsehen also mehr als nur die Glückseligkeit einer frisch verliebten und verlobten Frau Mitte dreißig. Denn Swifts Texte spiegeln nicht nur eine persönliche, sondern eine gesellschaftliche Regression wider: die Rezentrierung von Ehe, Mutterschaft und männlicher Erlösung als weibliches Lebensziel. Sie malt ein konservatives Familienideal, in dem ihr „Retter“ Travis Kelce und die geplanten Kinder den Lebensmittelpunkt bilden – ganz im Sinne des „1950s shit“, den sie einst ablehnte. Eine persönliche Umorientierung ist nicht verwerflich. Doch die konservativen „Ideale“, die daraus entstehen, festigen alte patriarchale Strukturen. Und liefern so rechter Politik den passenden Soundtrack, um alte Machtverhältnisse wieder salonfähig zu machen.
Bereits jetzt finden MAGA-Anhänger online Gefallen an einigen „Showgirl“-Songs, die sie zu ihrem Gunsten auslegen. Warum nimmt die eigentlich demokratisch-linksorientiere einstige Trump-Opponentin das wohlwollend in Kauf? Unfreiwillig stellt sich die Frage, ob hinter den Lyrics des „Masterminds“ Taylor Swift nicht mehr Kalkül steckt, als sie zugeben würde.
- Der Titel erinnert beispielsweise an Charli xcx’s Song „everything is romantic“, ebenfalls auf dem Album „brat“. Neben direkten Referenzen zu „sympathy is a knife“ bezieht sich „Actually Romantic“ außerdem indirekt auf die Freundschaft zwischen xcx und Swifts Ex-Freund Matty Healy sowie auf Charlis Kokainkonsum. Referenzen zu anderen berühmten Persönlichkeiten, auf die der Song alternativ abzielen könnte, finden sich keine. ↩︎
- Der US-Präsident wetterte in diesem Jahr mehrfach auf seinem Truth-Social gegen die Sängerin. Erst schrieb er beispielsweise „I HATE TAYLOR SWIFT“, nachdem diese sich für die Wahl von Kamala Harris 2024 aussprach. Im Mai diesen Jahres ergänzte er dann: „Ist jemanden aufgefallen, dass Taylor Swift nicht mehr HEISS ist, seit ich gesagt habe, dass ich sie hasse?“ ↩︎
- „I have this policy where I do not respond to rage baiting, people who try to provoke me in a multitude of ways. I don’t respond to stuff. But this pissed me off so much, that I did say what was going on in my life.“ – Taylor Swift über den Verkauf ihrer ersten sechs Alben in der „The Graham Norton Show“, ausgestrahlt auf BBC am 3. Oktober ↩︎
- „You couldn’t understand it
Why you felt alone
You were in it for real
She was in her phone
And you were just a pose
And don’t we try to love love? (Love love)
We give it all we got (Give it all we got)
You finally left the table (Uh, uh)
And what a simple thought
You’re starving ‚til you’re not“ – Lyrics aus dem Song „Opalite“ ↩︎ - Der Begriff „Savage“, z. Dt. „Wildes“ wurde in der Kolonialgeschichte als rassistische Abwertung und Entmenschlichung Schwarzer, indigener und nicht-weißer Menschen verwendet. ↩︎
- Zudem ist die Bezeichnung „Block“ in der US-amerikanischen Geschichte stark mit Rassentrennung und der Idee von „racial purity“ verbunden. Bis weit in das 20. Jahrhundert sorgte Segregation dafür, dass weiße und Schwarze Menschen getrennt gewohnt haben. Heute fällt die rechtsextreme Verschwörungsidee, dass sich weiße Menschen fortpflanzen müssten, um nicht „ersetzt“ zu werden und um ihr Land zu verteidigen unter dem „Great Replacement“-Mythos oder in Deutschland „Mythos des großen Austauschs“ (oder auch „Islamisierung“). An dieser Verschwörungstheorie bedienen sich auch Politiker wie J. D. Vance oder hierzulande Alice Weidel und Alexander Gauland. Mehr dazu auch hier: https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/glossareintraege/DE/G/grosser-austausch.html ↩︎


Schreibe einen Kommentar