die popkultur-kolumne

Von „Miss Americana“ zu Mrs. America? Die MAGA-Debatte um Taylor Swift

Did you hear her covert narcissism she disguises like altruism?

Mit „The Life of a Showgirl“ hat Taylor Swift – glaubt man den Online-Kommentaren – einige langjährige Fans verloren. Dafür hat die 35-Jährige an anderer, überraschender Stelle neue Anhänger dazugewonnen. In den sozialen Netzwerken finden sich seit der Veröffentlichung ihres 12. Studioalbums immer wieder wohlwollende bis begeisterte Posts von Menschen, die sich klar als Republikaner, Trump-Supporter und Teil der „MAGA (Make America Great Again)“-Bewegung identifizieren.

Besonders der Song „Cancelled!“ findet dort viel Zuspruch. In diesem verteidigt Swift Freunde, die von den Medien „gecancelt“ worden sind. „Wenn du nicht gut sein kannst, werde besser darin [schlecht zu sein …] Bald lernst du, nie erwischt zu werden“, gibt sie darin als Tipp an die Hand. Auf TikTok schreibt eine Nutzerin mit dem Namen „MAGA Mummy“ in einem viralen Kommentar, dass ihr der Song am besten gefalle: „Er erinnert mich daran, was meinen Freunden und mir in diesem Land gerade widerfährt.“ Ist das wirklich die Zielgruppe, die die Sängerin mit ihrem Album erreichen will?

Swift steht derzeit in der Kritik für das konservative Frauen- und Weltbild, das sie mit ihrem neuen Album zeichnet. In meinem vorangegangenen Artikel habe ich einige dieser Lyrics bereits analysiert und eingeordnet. Das Ergebnis: Einige Zeilen können als misogyn, antifeministisch und sogar rassistisch ausgelegt werden – und genau das geschieht online bereits.

Einige Fragen sind nach meiner Analyse aber noch offen geblieben: Kann man Zeilen wie „Ich möchte, dass unsere ganze Nachbarschaft aussieht wie du“ oder die klare Abgrenzung von historisch bedeutsamen Schwarzen Empowerments-Begriffen wie „bad bitch“ und „savage“ einfach als übersehene Fettnäpfchen abtun, die im Online-Diskurs gerade überproportional viel Raum einnehmen? Sollten diese jedoch vorsätzlich in Swifts Songs platziert worden sein, stellt sich die Frage: Welchen Nutzen hätte die Sängerin davon bewusst mit dem konservativen Lager der Republikanern zu liebäugeln, nachdem sie vergangenes Jahr zur Wahl von Demokratin Harris aufrief?

Schon gelesen? Teil 1 meiner Analyse: „The Life of a Showgirl“ oder „The Life of a Tradwife“ – Spielt Taylor Swifts Album rechter Politik in die Karten?

Nähe zu MAGA? Taylor Swifts Freundschaft zu Brittany Mahomes

Um mögliche Antworten auf diese Frage zu finden, macht es Sinn sich den „MAGA-Lieblingssong“ „Cancelled!“ genauer anzusehen. Denn diesen kann man nicht nur als Song der bedingungslosen Freundschaft und Treue auslegen, sondern auch als Antwort Swifts auf die Kritik, die ihr Fans in den vergangenen Monaten entgegen gebracht haben. Das Lied lässt sich, typisch für die Texte der Künstlerin, auf mehrere Situationen oder in diesem Fall „gecancelte“ prominente Freunde auslegen. Da wären etwa Blake Lively und Ryan Reynolds, die im „It Ends With Us“-Drama mit Justin Baldoni verwickelt waren. Möglicherweise auch Schauspielerin Sophie Turner, die im Scheidungskrieg mit Joe Jonas schlechte Presse abbekommen hat. Aber für eine Freundschaft stand auch Swift selbst häufig in der Kritik: Die zu Brittany Mahomes, Ehefrau von Travis Kelces Chiefs-Teamkollegen Patrick Mahomes.

Die ehemalige Profifußballerin sorgte in der Vergangenheit mehrfach für Negativschlagzeilen. So nahm sie etwa Schwager Jackson Mahomes nach einer sexuellen Nötigung gegenüber einer Restaurantbesitzerin in Schutz und bezeichnete Kritiker seines Verhaltens als „ignorant“. Im vergangenen Jahr gab sie zudem einem Post über Donald Trumps „Make America Great Again“-Agenda einen Like. Dieser beinhaltete Forderungen nach Massendeportationen sowie transfeindliche Aussagen. Der US-Präsident bedankte sich später öffentlich für Mahomes‘ Unterstützung.

Brittany Mahomes scheint mittlerweile zum engen Freundeskreis von Taylor Swift zu gehören. Die Frauen werden nicht nur regelmäßig bei NFL-Spielen gemeinsam abgelichtet, sondern auch bei gemeinsamen Geburtstagsfeiern und Abendessen. Eine Beziehung, die bei vielen Swifties auf Unverständnis stößt. Wie könne sich die politisch eher links orientierte Sängerin mit einer „MAGA“-Anhängerin anfreunden und öffentlich zeigen, fragen sich Fans in den sozialen Medien regelmäßig. Verkauft sie damit etwa ihre eigenen Werte?

„Ich mag meine Freunde gecancelt, eingehüllt in Gucci und in Skandalen“

Taylor Swift im Song „Cancelled!“

Taylor Swift ist es egal, wenn Freunde „Leichen im Keller haben“

Swift gibt mit „Cancelled!“ eine eindeutige Antwort darauf, was sie von der Kritik ihrer Fans hält. Wie schon in „But Daddy I Love Him“ („The Tortured Poets Department“, 2024) macht sie klar, dass ihr die Meinung der Außenwelt egal ist, wenn es um ihre Beziehungen geht. „Ich bin nicht hier, um zu verurteilen“, singt sie und rechtfertigt weiter: „Jeder hat Leichen im Keller“. In einer Notiz zum Song erklärt sie weiter:

„Ich lasse Leute nicht einfach fallen, weil andere Menschen sagen, dass sie sie nicht mögen. Ich mache meine eigenen Entscheidungen basierend darauf, wie mich Menschen in meinem eigenen Leben behandeln.“

Welche Personen man anhand eigens gewählter Kriterien in sein Leben lässt, ist jedem selbst überlassen. Wie man mit öffentlicher Kritik am eigenen Freundeskreis umgeht auch. Allerdings scheint Swift bei „Cancelled!“, wie auch bei anderen Songs auf „TLOAS“, das Bewusstsein dafür verloren zu haben, wie ihre Aussagen im aktuellen gesellschaftlichen Klima gelesen werden können.

Der Track arbeitet zwar mit Ironie und Überspitzungen, sagt aber im Kern: Die Moralvorstellungen und unsensiblen Aussagen meiner Freunde sind mir egal, solange sie nett zu mir sind.

Eine kritische Nachricht in einer Welt, in der sich die politische Lage zuspitzt und extreme Ansichten zunehmend salonfähig werden. „Cancelled!“ gepaart mit anderen Aussagen im Album über konservative Familienbilder und sogar antifeministisch und rassistisch auslegbaren Zeilen lockt eben genau diese Anhänger des rechten politischen Spektrums. Genau diese feiern Swift aktuell für ihre vermeintliche Abkehr vom liberalen Image.

Kritische Swifties bezeichnen „Cancelled!“ auf „X“ hingegen als den „unsensibelsten und weltfremdesten Song, den eine weiße Milliardärin mit MAGA-Freunden in diesem Klima veröffentlichen könnte.“

Betreibt Swift mit „The Life of a Showgirl“ Hundepfeifen-Politik?

In den Internetdiskussionen stehen sich zu dieser Thematik aktuell zwei Seiten gegenüber: Die eine findet die Kritik an der Künstlerin überzogen. Diese Fans sind davon überzeugt, dass kleine Teile der Songtexte überinterpretiert werden und die Songs bewusst von Kritikern, aber auch der politisch konservativen Seite zu ihren eigenen Zwecken ausgelegt werden. Dabei meine Swift das alles ganz anders als in deren Interpretationen.

Auf der anderen Seite liest man oft das Wort „Dogwhistle“ als die mögliche Erklärung darauf, warum kritische Aussagen zwischen den Zeilen und nicht für alle Hörer:innen auffällig platziert worden sein könnten.

Die sogenannte Hundepfeifen-Politik ist eine Form der Rhetorik, an der sich Politiker:innen bedienen, wenn sie unpopuläre Positionen so in ihre Sprache einfügen, dass sie nur von Menschen mit selbiger Haltung verstanden werden können. Der deutsche Medienwissenschaftler Stephan Packard nennt als Beispiel „eine rassistische Anspielung, die […] zunächst nicht als rassistisch wahrgenommen wird, aber von einer kleineren Gruppe, insbesondere rassistischen Zuhörenden, als dasjenige erkannt wird, als das es in der Tat gemeint war.“ Eine codierte Sprache, an der sich bereits US-Präsident Donald Trump aber auch hierzulande Politiker wie Björn Höcke oder Bundeskanzler Friedrich Merz bedient haben sollen.

Versucht Taylor Swift mit vermeintlich harmlos klingenden Zeilen wie „got the whole block looking like you“ bewusst nur eine bestimmte, „eingeweihte“ Gruppe an Menschen zu erreichen? Solche, die diese Zeilen als Aufruf zum Erhalt der weißen Kultur zustimmend abnicken würden, während die restlichen Hörer:innen nichtsahnend zum Beat viben? Ob Swift tatsächlich bewusst codierte Botschaften platziert, bleibt Spekulation. Doch allein, dass diese Leseart plausibel erscheint, zeigt, wie vereinbar ihre Musik für konservative Deutungen geworden ist.

War politische „Miss Americana“-Era nur Marketingstrategie?

Selbst wenn keine Intention oder verschlüsselte Botschaften an „MAGA“-Anhänger hinter den schwierigen Zeilen in „The Life of a Showgirl“ stecken sollten, so ist es trotzdem wichtig zu hinterfragen, wie sie dort gelandet sind. Taylor Swift gilt als die Königin der „Easter Eggs“, also der versteckten Anspielungen und Nachrichten in ihren Songs und allem, was sie sonst mit der Öffentlichkeit teilt. Ihre Songtexte werden zerlegt und analysiert wie bei kaum einer anderen Künstlerin. Sie hat in der Vergangenheit mehrfach bewiesen, dass sie ein großes Verständnis für die vielschichtigen Bedeutungen von Worten, Redewendungen und Metaphern hat und dass hinter mancher Liedzeile mehr als nur eine Aussage stecken kann. Gleichzeitig sprach Swift in der Vergangenheit oft darüber, wie wichtig es ihr sei, politisch gebildet und reflektiert zu sein. Sie habe es sich als Ziel gesetzt, keine misogyne oder rassistische Sprache zu reproduzieren, sagte sie in ihrer „Miss Americana“-Dokumentation 2020.

„Ich versuche, so gebildet wie möglich zu sein, wenn es darum geht, Menschen zu respektieren. Ich möchte die Misogynie in meinem eigenen Gehirn umprogrammieren.“

Taylor Swift, „Miss Americana“ (2020)

Wie kann derselben Person im Prozess von Schreiben, Umschreiben, Einsingen und Produzieren besagter Songs nicht auffallen, dass einige Zeilen im Jahr 2025 kontrovers und teilweise unangebracht sind? Hat die Milliardärin Taylor Swift den Bezug zur Realität verloren und ist als Folge blauäugig und weltfremd geworden? Schafft sie es nicht mehr der Erwartungshaltung gerecht zu werden, die sie sich in ihrer politisch engagiertesten Era selbst auferlegt hat? Und war diese am Ende des Tages nur eine Marketingstrategie, von der die Sängerin mittlerweile wieder abgelassen hat? Vielleicht spiegelt das Album und besonders „Cancelled!“ tatsächlich die Ignoranz wider, die ihr einige Swifties in den vergangenen Monaten mehrfach unterstellt hatten.

Warum Swifts stillschweigende Komplizenschaft ein Problem ist

Denn die Sängerin ist ihrer Followerschaft in den vergangenen Monaten öfter mit ihrer vermeintlichen Nähe zu MAGA-Anhängern negativ aufgefallen. Neben Brittany Mahomes zeigte sich Swift auch anderen kontroversen Persönlichkeiten offen zugewandt.

Im Oktober 2024 wurde etwa bekannt, dass die Künstlerin einen handgeschriebenen Brief an Dave Portnoy, dem Gründer des Medienunternehmens Barstool Sports, verfasst hatte. Darin bedankte sich Swift für dessen Loyalität und Unterstützung. Portnoy, dem mehrfach sexuelle Nötigung und rassistische Äußerungen vorgeworfen wurden, gilt als einer der lautesten Trump-Unterstützer im Mediensektor. Befremdlich, dass sich Swift ausgerechnet mit ihm zu solidarisieren scheint, nachdem sie selbst in der Vergangenheit zum Opfer sexueller Belästigung geworden ist und einen Prozess gegen den Täter gewonnen hatte. Damals hatte sie sich sehr emotional für Personen eingesetzt, denen bei solchen Taten nicht geglaubt werden.

Aufeinandertreffen und Sympathie-Austausche der Sängerin mit umstrittenen Trump-Unterstützern häuften sich in den vergangenen Monaten. Da war beispielsweise das gemeinsame Foto mit den ehemaligen NFL-Spielern Taylor Lewan und Will Compton, die in ihrem Podcast „Bussin‘ With the Boys“ mehrfach die Werbetrommel für Trump gerührt hatten. Swift habe diesen als ihren „Lieblingspodcast“ bezeichnet.

Auch ein Selfie-Video mit Trump-Fan und Countrysänger Chase Rice sowie ein Gespräch mit dem persönlichen Freund des Präsidenten, Ex-Hockeyspieler Wayne Gretzky sorgten unter Swifties immer wieder für Stirnrunzeln und Diskussionen. Warum ist es für die stets auf ihr Image bedachte und politisch korrekte Taylor Swift plötzlich offenbar überhaupt kein Problem mehr sich mit offenen engen Verbündeten des US-Präsidenten zu präsentieren, gegen den sie sich in seiner ersten Präsidentschaft noch mehrfach öffentlich positioniert hatte? Und was sagt das über ihre eigenen Standpunkte aus?

Gleichzeitig ist Swift seit den US-Wahlen politisch still geworden. Trotz den Forderungen ihrer Fans, sich zu der politischen Lage in den USA sowie in Palästina zu äußern, schwieg die Sängerin. Selbst Dinge, die sie direkt betroffen haben, wie der geplante Terroranschlag auf ein Konzert in Wien, blieben größtenteils unkommentiert. Spätestens nach „The Life of a Showgirl“ deuten viele Fans diese Stille als Bestätigung, dass sich Swift ihrem Umfeld auch politisch angenähert hat. Schon in „Mirrorball“ auf „folklore“ gestand sich die Künstlerin ein, dass sie ihre Kontakte genau spiegelt, um geliebt zu werden. „I can change everything about me to fit in“ – Sie könne alles an sich ändern, um dazuzugehören. Zählen dazu auch Moral und politische Überzeugungen? Ein Song, der einst eine Bekenntnis zur Anpassung aus Verletzlichkeit war, klingt heute eher nach Swifts Strategie zur Machterhaltung.

Eine „kritische“ Timeline: Für diese Aussagen und Aufeinandertreffen gerieten Travis Kelce und Taylor Swift im vergangenen Jahr in die Kritik:
21. Oktober 2024Dave Portnoy teilt Dankesbrief von Taylor Swift auf Instagram – Portnoy ist Trump-Supporter, mutmaßlicher Sexualstraftäter
5. Februar 2025Travis Kelce findet es „großartig und eine Riesen-Ehre“ vor Donald Trump zu spielen
17. Juni 2025Taylor Swift und Travis Kelce unterhalten sich bei Eishockey-Spiel mit Trump-Freund Wayne Gretzky
24. Juni 2025Swift und Kelce verbringen Abend in Jason Aldeans Bar – Aldean ist Countrystar und MAGA-Anhänger
24. Juni 2025Am selben Abend posiert Swift mit „ihren Lieblings“-Podcastern Taylor Lewan and Will Compton – Trump-Fans, gegen Lewan gibt es Vorwürfe des sexuellen Übergriffs
24. Juni 2025Swift nimmt Video mit Countrysänger Chase Rice mit den Worten „Love you, say hi to the fam“ auf – Rice hat sich mehrfach öffentlich als Trump-Supporter positioniert
27. August 2025Travis Kelce Werbekampagne mit American Eagle wird einen Tag nach der Verlobungsverkündung zu Swift bekannt gegeben – das Unternehmen stand kurz davor für einen rassistischen Werbeslogan mit Sidney Sweeney in der Kritik

Das milliardenschwere Businessmodell Taylor Swift im Jahr 2025

Abschließend sollte man in der Überlegung über mögliche Motive Taylor Swifts dafür die „politische Seite zu wechseln“ nicht übersehen, dass sie mehr als nur eine Künstlerin ist. Sie ist vor allen Dingen eine milliardenschwere Marke. Ihr geschätztes Vermögen beläuft sich aktuell laut Berechnungen von Forbes auf 1,6 Milliarden US-Dollar. Spätestens durch die Verlobung zu Kelce ist die Marke Taylor Swift – freiwillig oder unfreiwillig – die größte Kooperation ihrer bisherigen Karriere eingegangen: Die mit der NFL und den Kansas City Chiefs.

Swift hat zwar, soweit es der Öffentlichkeit bekannt ist, keinen Vertrag mit der amerikanischen Profiliga oder dem Verein ihres Partners unterschrieben. Dennoch herrscht seit ihres ersten öffentlichen Auftritts bei einem Spiel der Chiefs im September 2023 eine enge lukrative Partnerschaft zwischen beiden Seiten. Der sogenannte „Taylor Swift Effekt“ machte die gesamte National Football League besonders für Frauen und junge Menschen attraktiver, was bereits im darauffolgenden Spiel in zwei Millionen mehr Zuschauer:innen resultierte. Alleine von September 2023 bis 2024 habe Swift der NFL laut der Analysen der Finanzseite Marketwatch insgesamt eine Milliarde US-Dollar eingebracht, davon rund 370 Millionen US-Dollar an Markenwertsteigerung für die gesamte Liga, rund 630 Millionen nur für die Chiefs.

Taylor Swift schenkte der NFL genau die junge, kaufstarke, weibliche Zielgruppe, die sie in den vergangenen Jahren vergeblich versucht haben zu gewinnen. Laut der Sportfinanz-Seite „Sportico“ reichte bereits ein Auftritt Swifts, um die Verkäufe von Travis Kelces Jersey um 400 Prozent zu steigern. Die 35-Jährige ist dadurch die wohl mächtigste und einflussreichste Markenbotschafterin unserer Zeit und hat Partner Travis Kelce, der NFL und den Kansas City Chiefs einen unvorstellbaren Bekanntheitsboost gebracht. Gleichzeitig bringt die Verbindung zu einer bekannten und globalen Sportliga wie der NFL eine extra Bühne, um Swift als Marke sichtbarer zu machen. Das treibt Merch, Streaming und Ticketverkäufe zusätzlich in die Höhe.

Mit der Hochzeit zu dem Profifootballer wird daraus eine Markenkooperation fürs Leben. Und damit wird wahrscheinlich zwangsläufig auch eine Anpassung der Werte und Normen der Marken – Swift auf der einen, die NFL und die Chiefs auf der anderen Seite – stattfinden. Zwar positionieren sich NFL und Chiefs grundlegend als unpolitisch, doch der gesamte Kosmos ist strukturell wie traditionell konservativ und staatsnah. Beispielsweise stehen die Eigentümer der Chiefs, Clark Hunt und dessen Familie, politisch klar auf der konservativen Seite der Republikaner. Das zeigten sie in der Vergangenheit sowohl durch öffentliche Aussagen als auch durch großzügige Spenden an Politiker des rechten Spektrums.1

Es ist denkbar, dass sich Swift deswegen politisch nicht mehr äußert und in ihren Songs ein weit konservativeres Bild liefert. Da sie sonst in Konflikt mit den Marken gerät, mit denen sie mittlerweile koexistiert.

Profit über Moral? The „narcissistic“ Capi-Tay-list

Doch die Idee von Taylor als Marke kann noch weitere Erklärungen für ihren „Mind-Swift“ liefern. Schon seit einigen Jahren wird deutlich, dass Swift finanziellen Erfolg nicht nur als Ziel, sondern als Maßstab ihrer künstlerischen Selbstdefinition versteht. Aufgrund kruder Marketingstrategien wie der vielen verschiedenen Varianten ihrer Alben, die sie zuletzt sogar mit Countdowns angekündigt hatte, kürten Fans sie zynisch zur „Capi-Tay-list“. Die Irritation ihrer Fans scheint sie dabei kaum zu kümmern. Seit Veröffentlichung von „The Life of a Showgirl“ folgen weiterhin munter Variationen des Albums, etwa mit Acoustic Versionen einzelner Songs, die nur käuflich zu erwerben sind. Ihr wachsendes Vermögen stellt Swift damit über das Gemüt ihrer Fans. Sie instrumentalisiert stattdessen deren Loyalität als emotionale Ressource und ultimativ als Gelddruckmaschine. Der Gedanke liegt da nahe, dass sie ihr stetig wachsende Vermögen mittlerweile auch über einstige Werte gestellt hat.

Nicht umsonst sagt man, dass es keine moralischen Milliardäre gibt. Und Swift liefert derzeit das vielleicht sichtbarste Beispiel dafür, wie schwer sich moralische Integrität mit ökonomischer Macht vereinen lässt. Gleichzeitig sind es genau die Überreichen wie sie, die aktuell von Trumps Präsidentschaft durch Steuerreduktionen finanziell profitieren.

Bisher galt Swift als Feindbild vieler Republikaner und konservativer Medien wie Fox. Doch nachdem sie häufig mit der Szene nahestehenden Akteuren gesichtet wurde und ihrem neuen Album konservative Werte vermittelt hat, scheint sich der Blick auf die Künstlerin bereits geändert zu haben. Trump gratulierte ihr und Kelce öffentlich zur Verlobung und bezeichnete sie als „fantastische“ Person, obwohl er im Mai noch öffentlich seinen „Hass“ ihr gegenüber bekundet hatte. Und auch in der „Big Weekend Show“ des trump-nahen Senders Fox schwärmte Host Tomi Lahren nach der Veröffentlichung von „TLOAS“ über die Sängerin und deren „konservatives Leben“.

Ob diese neue Nähe politischer Überzeugung entspringt oder bloß strategischer Berechnung, kann aus der Ferne nicht attestiert werden. Sicher ist nur, dass sie Taylor Swift ökonomisch nutzt. Und vielleicht war genau das der Plan.

Is bad press still good press?

Denn von einer neuen Demografik mit offenen Armen aufgenommen zu werden, bringt wirtschaftliche Vorteile – neue Hörer:innen, neue Fans, neue Kaufkraft. Auch von den negativen und kritischen Reaktionen ihrer Fans habe Swift profitiert, erklärt sie im Interview mit Zane Lowe wenige Tage nach dem Release:

„Es ist eine Regel im Showbusiness: Wenn du in der ersten Woche meiner Albumveröffentlichung meinen Namen oder den Albumtitel sagst, hilfst du mir.“

Offenbar ganz nach dem Sprichwort: Schlechte Publicity ist immer noch Publicity. Denn am Ende des Tages hat „The Life of a Showgirl“ erneut zahlreiche Rekorde gebrochen, steht an der Spitze internationaler Charts und allein die dazugehörige Kino-Experience hat an einem Wochenende rund 50 Millionen US-Dollar in weltweite Kinokassen gespült. Kritik, egal ob an ihrem Album, ihren Freunden oder ihrem politischen Engagement ist Swift augenscheinlich egal. Ihr Erfolg misst sich am ständig wachsenden Kontostand.

Es ist an der Zeit Taylor Swift als genau die Person zu sehen, als die sie sich in „Midnights“ selbst beschrieben hat: Als den Anti-Hero, der seinen „versteckten Narzissmus als Altruismus verkleidet“ und somit gleichzeitig die Protagonistin eines Dramas ist, in dem Selbstkritik nur eine weitere Form der Selbstvermarktung darstellt.

  1. Die NFL selbst ist zudem auf viele komplexe Arten und Weisen mit der Regierung verbunden. Einerseits gibt es eine direkte finanzielle Verbindungen dadurch, dass die gesamte League steuerbefreit ist, was jedes Jahr Millionen einspart. Zeitgleich ist sie auf die direkte Finanzierung vom Bau und Instandhaltung angewiesen, die die US-Regierung durch Steuergelder finanziert. Gleichzeitig hat das Verteidigungsministerium der Vereinigten Staaten über die Jahre Millionen an US-Dollar an die NFL gezahlt, um patriotische Vorführungen zur Feier des Militärs zu sponsern. ↩︎


Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert